7 Fragen an …

Fanni von Picadera

1 Wie hat die Idee zu „Picadera“ angefangen?

Anfang 2017 habe ich begonnen an der Idee zu arbeiten. Ich bin in der iberischen Reiterei und der Reitsport Disziplin Working Equitation zuhause. Vor ein paar Jahren habe ich allerdings festgestellt, dass es keinen Online Shop gibt, der für entsprechendes Reitequipment ein Gesamtkonzept bietet. Die Angebote waren für mich einfach nicht attraktiv genug, um Lust zu haben dort einzukaufen. Dabei habe ich immer nach Produkten gesucht, die zu mir und meiner Reiterei passen. Es geht für mich dabei um Identität und dass das Equipment meine Identität im Sport wiedergibt.

Zuerst war der Gedanke noch nicht dahinter, auch zu gründen. Es war eher eine lose Recherche: auf Messen, Angebote anschauen usw. – also ganz klassisch Marktrecherche. Ich dachte, vielleicht gibt es ja doch schon das, was ich mir eigentlich vorstelle: eine runde Geschichte – vom Online-Shop, über die Produktauswahl bis hin zum Marketingkonzept. Aber das konnte ich nicht finden und mir kam der Gedanke: Da gibt es doch bestimmt noch mehr Leute wie mich, die ein Stückchen Heimat suchen, wenn es um diese Produkte geht.

Fanni lächelt in die Kamera und Stute Filiberta trägt Zaumzeug aus dem Online Shop.

2 Was war dein erster Schritt Richtung Gründung?

Der Start war ein Marketingtest: Ich habe eine Facebook-Seite und eine Landingpage erstellt, auf der sich Interessenten zum Newsletter für den Online-Shop anmelden konnten, der dann irgendwann eröffnen sollte. Als Anreiz wurde ein Gutscheincode für den späteren Shop ausgegeben. So wollte ich prüfen, wie die ersten Reaktionen sind. Ich habe auch ein wenig Werbung geschaltet und mir Conversion Rates angeschaut. Mit den Ergebnissen war ich zufrieden, aber dann kam erst Mal das Leben dazwischen.

Ich war in NRW und hatte mich gerade vom meinem Arbeitgeber getrennt. Die Frage war, wie es weitergeht und die Idee lag erst Mal mit einem fast fertigen Businessplan in der Schublade. Dann bin ich damit ins gig7 gegangen. Nachdem ich nochmal darüber nachgedacht habe, habe ich gesagt: Ich mach’s. Das war im Januar 2018. Dann ging es richtig zur Sache. Der Online Shop wurde im Mai 2018 eröffnet und wir hatten bereits eine gute Situation, da wir durch den Test vorab eine Basis von Newsletter Abonennt*innen hatten.

3 Wie hast du passende Lieferanten ausgesucht?

Ich hatte im Vorfeld viel vorbereitet und mit möglichen Lieferant*innen gesprochen. Da ich vorher im Produktmanagement gearbeitet habe und viel mit Einkauf zu tun hatte, kannte ich es so: Bevor ein neuer Lieferant aufgenommen wird, sollte die Firma besichtigt werden. Deshalb bin ich nach Spanien und Portugal gereist und habe dort die Unternehmen besucht. Ich konnte mir die Produkte direkt vor Ort anschauen und bei den Firmen wissen, womit ich es zu tun habe. Das ist immens wichtig für die Zukunft.

Manchmal habe ich gedacht, ich habe es mit einem riesigen Unternehmen zu tun und dann arbeiten da fünf Leute. Das ist nichts Schlimmes, aber dann weiß ich, was die Grenzen und Möglichkeiten des Unternehmens sind.

Dann habe ich mir erst Mal nur Lieferant*innen ausgesucht, die gesagt haben, dass sie kurzfristig liefern können, meine Statistiken darüber angefangen, was gut läuft, was ein Bestand für den Monatszeitraum ist und den versucht vorzuhalten. Ich bin also mit dem ersten Bestand gestartet und habe dann nachbestellt. Einfach ohne Erfahrung blind einzukaufen und dann vielleicht völlig falsch zu liegen – das hätte zum Start nicht funktioniert. Dieser kleine Anfangsbestand hat gut geklappt.

4 Du bist jetzt 1 Jahr offiziell am Markt – was ist seitdem passiert?

Wir hatten kurz vor unserem Geburtstag die größte Sortimentserweiterung überhaupt und sind jetzt bei etwa 180 Artikeln im Shop. Ich habe meine Erfahrungen gemacht, was läuft gut von Lieferantenseite, was nicht. Das Thema Einkauf ist unheimlich groß und zeitintensiv, das wird leicht unterschätzt bei der Eröffnung eines Online Shops. Bestellungen aufgeben, Bestellungen prüfen und so weiter… Das ist alles sehr operativ und auch bisher eine meiner größten Herausforderungen: Meine ganzen Zuständigkeiten und Bereiche zu managen, ohne das Strategische zu vernachlässigen.

Nach einem Jahr bekomme ich das immer besser hin. Direkt nach der Gründung habe ich haufenweise private Termine vergessen. Der Shop ist eröffnet, es geht los und zwei, drei Monate habe ich dann so gar nichts von der Außenwelt mitbekommen. Einfach weil ich mich erst Mal eingrooven musste, das Ganze organisiert zu bekommen: Einkauf, Produktmanagement, Planung der Portfolios, Service, Pflege des OnlineShops, Marketing…

5 Was hat dir geholfen deine Routine bei all den Aufgaben zu finden?

Jetzt, nachdem ich ein Jahr am Markt bin, kann ich Vergleiche ziehen. Das konnte ich vorher nicht, weil jeder Monat neu war. Es gibt Statistiken dazu, wie sich der Markt verhält, was sind gute Monate, was sind schlechte Monate, aber es kommen immer Überraschungen dazu. Ich bin unheimlich datengetrieben und schaue mir nach Aktionen immer in der Rückschau an, was ist da eigentlich passiert, aber manchmal helfen mir die ganzen Daten auch nicht mehr weiter, weil es doch zu irgendeiner Überraschung kommt. Es war immer eine Achterbahnfahrt… jetzt ist es ein bisschen eingespielter geworden.

6 Wann stößt du an deine Grenzen?

Immer noch durchweg. Wenn ein Unternehmen aufgelöst wird, dann in den ersten ein, zwei Jahren – das ist die kritische Phase. Ich mache ja ganz klassisches Bootstrapping, also ziehe mich an den eigenen Reiterstiefeln aus Eigenkapital hoch und das limitiert schon. Dementsprechend wird Finanzierung und Lager dieses Jahr auf jeden Fall nochmal Thema sein.

Klar gibt es immer Mal Situationen, da kann ich ein paar Nächte nicht schlafen. Aber bisher gab es – toi, toi, toi – nicht den einen großen Knall, wo ich sage, das hat mich völlig zur Verzweiflung gebracht. Eigentlich habe ich es ganz gut geschaukelt bekommen. Ich gucke mir ganz gerne Fuck-up Nights von anderen Unternehmen an. Und da sind Sachen dabei… Ich finde ab und zu kann ich mir auch auf die eigene Schulter klopfen und sagen, einiges habe ich echt gut gemacht. Da bin ich ganz schön stolz drauf, dass es mit Bedacht gemacht ist.

7 Wo geht es hin?

Realistisch gesehen: Eine räumliche Vergrößerung und auch eine personelle Vergrößerung, sodass ich Mitarbeiter*innen einstellen kann. Momentan mache ich so gut wie alles und ich würde gerne in den nächsten Monaten mehr Energie für Strategie haben. Denn das ist letztlich das, was mein Unternehmen langfristig am Markt halten soll. Die Herausforderung haben viele: Operatives und Strategisches am Laufen zu halten, sodass das eine das andere nicht auffrisst. Ansonsten Marktführerin Deutschland, Marktführerin Europa (lacht).

Das Unternehmen

Picadera ist ein Online Shop mit Reitsportartikeln für die iberische Reiterei. 2018 von Fanni Kovács gegründet, wird hochwertiges Equipment hauptsächlich aus Manufakturen in Spanien und Portugal angeboten, dass die Identität der Reiter*innen in ihrer Disziplin widerspiegeln soll. Nach einem Jahr am Markt können inzwischen ca. 180 Artikel im Online Shop bestellt werden und Fanni kann die ersten Erfahrungen Revue passieren lassen – andererseits sagt sie selbst: „Jetzt geht es erst richtig los…“ Wir sind gespannt!

Gründerin Fanni zusammen mit ihrer Stute - Fotomodell für Produkte ihres Online Shops.

Working Equitation

Working Equitation ist eine Reitsportdisziplin, in der Turniere ausgetragen werden. Sie hat sich aus den Reitarbeitsweisen in Südeuropa entwickelt und sind jetzt auch in ganz Europa im Kommen. Die Arbeit mit dem Pferd am Rind wurde dann in eine Turnierdisziplin übertragen. So sind zum Beispiel die Hindernisse in einem Teil der Prüfung, dem Trail, angelehnt an Elemente der Feldarbeit: Es muss ein Tor geöffnet und geschlossen werden, oder ähnliches.

Growth Hacking Tipp

Fanni’s Strategie vor dem Launch ihres Online-Shops ist ein klassischer Growth Hacking Tipp! Pre-Launch einfach schon mal abtasten, wie die Reaktionen sind und bereits eine Basis an potentiellen Kunden und Reichweite aufbauen. Einfach eine Landing Page erstellen, E-Mails sammeln und loslegen. Super auch in Kombination mit Rabatten, Giveaways, extra Inhalten oder Ähnlichem!

Ich denke, eine Gründerin muss hartnäckig sein, wissen was sie möchte und wie sie dahinkommt. Sie sollte ihr Handwerkszeug dabei haben, aber gleichzeitig anpassungsfähig sein und sich auf Neues einstellen.

Welche Kompetenz hat dir beim Gründen am meisten geholfen?

Ich bin unheimlich penibel und möchte immer alles ganz genau machen. Das nützt im Alltag nicht immer was, aber in Kombination damit auch Loslassen zu können und flexibel zu sein- das macht es dann aus.

Barockpferde

Barockpferde unterscheiden sich vom klassischen deutschen Reitpferd durch die Statur. Sie sind kurze Pferde im Verhältnis von Rücken zu Beinen. Wenn man eine Form durch den Körper des Pferdes ziehen würde, wäre das Barockpferd ein Quadrat und das klassische Reitpferd ein länglicheres Rechteck. Dadurch sind die Barockpferde sehr wendig und ermöglichen die Arbeit an den Stieren.

Das Handwerkszeug zum Gründen? Das ist zum Beispiel ein Businessplan schreiben, oder in einer Beratung einen Finanzplan machen – einen Überblick von den Bausteinen haben, was eigentlich dazugehört.

Fanni im Picadera Outfit mit iberischem Reithut.

Gründungstipp?

Zähne zusammenbeißen!

Alles, was auf dich einprasselt mit dem Startschuss unter einen Hut zu bekommen, ohne dich selber zu vergessen. Dich auch mal rauszunehmen und zu sagen: Jetzt gehe ich reiten und mache sonst nichts. Vielleicht geht es am Anfang nicht anders, aber nach den ersten Monaten musst du auch sagen: Ich arbeite jetzt mal nicht.

Mit wem würdest du gerne einen Tag tauschen?

Meinem Pferd. Das wäre bestimmt interessant.

Bootstrapping

Bootstrapping ist eine Finanzierungsart der Unternehmensgründung, die ohne externe Finanzierung funktioniert. Durch die monetäre und zeitliche Beschränkung lernen Gründer*innen von vornherein sparsam und effektiv zu wirtschaften. Bei starkem Wachstum kann die Aufnahme von Fremdkapital jedoch notwendig werden.

Risiko gehört mit dazu. Du kannst den tollsten Plan haben, aber natürlich es kann trotzdem sein, dass es nicht aufgeht. Der Markt entwickelt sich anders, oder es kommt irgendjemand gleichzeitig auf den Markt und hat mehr Ressourcen als du, oder hat es noch besser ausgearbeitet. Wenn du das vorher wüsstest, wäre es ja einfach. Dann gäbe es nur erfolgreiche Gründungen.

Die größte Chance an der Gründung?

Ausprobieren zu können. Selbst mit limitiertem Budget – du kannst so viel mehr machen, als im Angestelltenverhältnis. Wenn ich in meinem letzten Job ein Produkt im Sortiment aufnehmen wollte, gab es dafür ein Prozess. Jetzt geht es quasi fast mit Fingerschnipsen. Auch beim Marketing kann ich einfach austesten und auswerten.